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Reaktion auf „Bremerhaven Krimi - Tödliche Fracht“

Oder: Wie man Tatort-Fans zum Grübeln bringt.

Am 14.12. brachte das ARD den Film „Bremerhaven Krimi - Tödliche Fracht“ zur besten Sendezeit. Als eingefleischter Fan der Institution „Tatort“ stehe ich der Flut an Stadt- oder Regionalkrimis (z.B. Barcelona, Istanbul, Taunus, etc.) eher kritisch gegenüber. Von diesen „Möchtegern-Tatort“ Produktionen habe ich schon einige gesehen und bin davon nicht überzeugt. Die Handlung ist oft seicht und vorhersehbar - Fernsehkost für Leute, die einen fließenden Übergang in den Couchschlaf suchen, für mich ist das nichts.

Mit dem neuen Bremerhaven-Krimi hat diese Art der „Unterhaltung“ aber eine neue, negative Qualität bekommen: nämlich keine Qualität mehr in der Produktion. Aus der Idee, dass der Zoll in Bremerhaven auf einen Drogenring stößt hätte man etwas wirklich Gutes machen können. Leider haben die Macher es geschafft, dass nicht nur die Handlung keine ist, sondern dass - zumindest ich - zu keinem der mit stumpfer Klinge gehobelten Charaktere irgend eine Verbindung aufbauen konnte. Gekoppelt mit eindeutigen Fehlern in der Kameraführung ein für mich grauenvolles Zuschauererlebnis, das ich nach ca. 2/3 durch Ausschalten beenden musste.

Ich bin berüchtigt dafür, auch in hochwertigen Produktionen z.B. das etwas-zu-tief hängende Stabmikrofon zu entdecken, das sonst niemand in meiner Familie bemerkt. Oder die Spiegelung des Kamerateams in einer Vase. Somit haben handwerklich schlecht gemachte Filme es bei mir extrem schwer - ich lasse mich davon auch ablenken, bin dann nicht mehr „im Film“ sondern eher schon auf der Suche nach dem nächsten Fehler. Dass man in diesem Film sich aber in „Film Noir-ähnlichen“ Szenen versucht hat, in dem der Kameramann vermutlich die Blende einige Stops zugedreht hat, das dürfte niemandem entgangen sein. Die Szenen hatten etwas von Anfängernaivität, die ich in einer Erstproduktion sicher geduldet hätte, nicht aber in einem Donnerstagabend-Film des ARD. „‚Der Bremerhaven-Krimi: Tödliche Fracht‘ ist eine Produktion der Bremedia Produktion mit Sappralot Productions im Auftrag von ARD Degeto und Radio Bremen für die ARD“ ist auf der Seite der Filmbeschreibung zu lesen.

Geht man auf die Website der Bremedia Produktion, so merkt man wo das Problem liegt: die Firma ist eher auf Dokumentarfilme und Werbung spezialisiert. Ach ja: auf der Website befindet sich auch ein extensiver Onlineshop für Drohnen und Zubehör - vielleicht durften wir deswegen minutenlange Drohneneinstellungen im Film sehen; Zeit, die sicher besser in die Charakterentwicklung investiert gewesen wäre, denn bis auf den gerne genutzten Drehbuch-Trick, den jeweiligen Rollen extreme „Ticks“ ins Drehbuch zu schreiben, hat man von Charakterentwicklung nichts gemerkt.

Da war der Kollege von Bernbeck mit dem extremen Sicherheitsfimmel, die Kollegin Cunningham, die immer alles alleine macht und nicht teamfähig ist, die Kollegin Strüwer, die immer eine Mütze trägt weil sie (das wird impliziert) keine Haare mehr hat („es ist nicht Krebs…“) und der arme osteuropäische Dimitri, der zwar, nachdem er seine Halskette mit orthodoxem Kreuz bei einer Verfolgung verliert sich ein Neues aus Draht biegt (da er ohne das Haus nicht verlassen will). Als aber direkt neben ihm der kaltblütige Mord an seinem Chef verübt wird, hilft er ohne wenn und aber, die Leiche im Hafenbecken zu versenken. Apropos Halskette: ist sonst niemandem aufgefallen, dass die Kette noch geschlossen war? Wie, bitte, macht das Sinn? Hat er sie beim Wegrennen vom Hals genommen, wieder geschlossen und dann auf den Steg geworfen?

Es scheint den Machern dieses kinematischen Ungetüms auch egal gewesen zu sein, dass in Mordfällen die Kripo eingeschaltet werden muss - nein, das löst der Zoll Bremerhaven schon selber. Auch würde ganz sicher der Löschbetrieb im Freihafen eingestellt werden, wenn Zollpersonal dort nach Kriminellen fahndet. Aber dann hätte der Sicherheitsfimmel von Bernbecks natürlich die Rolle nicht getragen und Cunninghams „ich gehe rechts während ihr links geht“ wäre gar nicht aufgefallen. Also ab in die Container-Katakomben wo die Straddlecarrier-Fahrer mit Autobahngeschwindigkeit durch die Gänge rasen, ohne zu merken, dass hier Menschen unterwegs sind. Ist eigentlich jemandem aufgefallen, dass während der Weitwinkel-Schwenks über den Hafen das Geschehen eindeutig mit geschätzt doppelter Geschwindigkeit ablief? Wer schon mal in einem Hafen war weiß, dass die Straddlecarrier nicht mit 50km/h durch die Gegend rasen.

Zusammenfassend: Produktionen wie diese kosten den Bürger in Deutschland Geld - sie werden über das Etat der Fernsehanstalten finanziert, und die wiederum durch die Rundfunkgebühren. Dass nicht jeder Fernsehzuschauer zum Ausklang des Abends eine intellektuelle Herausforderung mag ist klar und dem sollte gewürdigt werden. Handwerklich und inhaltlich schlechte Produktionen aber sind schlicht verschwendetes Geld. Dann doch lieber einen Dokumentarfilm über den Hafen in Bremerhaven.

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